Wer die Wirtschaftspresse aufmerksam verfolgt, wird feststellen: Wenn Unternehmensinterna nach außen dringen, berufen sich Journalisten immer wieder auf ungenannte Quellen aus dem Aufsichtsrat oder verweisen auf „Aufsichtsratskreise“.

Auskunftsfreudige Gremienmitglieder verstoßen jedoch gegen gesetzliche Vorgaben. Denn sie sind „insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet“, heißt es im Aktiengesetz.

Die Verschwiegenheitspflicht betrifft also nicht nur klassische Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wie Konstruktionspläne, Rezepturen oder Algorithmen, die für Wettbewerber ein gefundenes Fressen wären. Aufsichtsräte müssen auch Details aus vertraulichen Beratungen für sich behalten und dürfen weder Bekannte noch Familienmitglieder einweihen – und erst recht keine Journalisten.

Das ist wichtig und richtig. Denn damit Aufsichtsräte offen, ehrlich und damit fruchtbar diskutieren, brauchen sie geschützte Räume. Wer fürchten muss, dass spontane Aussagen nach außen dringen, hält im Zweifel womöglich lieber den Mund – gerade bei neuen Ideen und unorthodoxen Überlegungen.

Warum Vielfalt nicht ausreicht

Dabei sind es insbesondere solche Beiträge, die Diskussionen voranbringen und neue Perspektiven eröffnen. Und das ist im Zeitalter der digitalen Transformation besonders wichtig, weil es darum geht, vermeintliche Wahrheiten zu hinterfragen, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Genau deshalb setzen immer mehr Aufsichtsratschefs auf Vielfalt und bringen Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Denkmustern zusammen. Doch was bringt Diversity, wenn Neu- und Andersdenker am Ende doch lieber schweigen?

Keine Frage: Wir brauchen Vielfalt und Vertraulichkeit. Die Verschwiegenheitspflicht ist sozusagen die Voraussetzung dafür, dass Aufsichtsräte mehr miteinander reden und diskutieren. Auch deshalb empfiehlt die Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD) in ihren Berufsgrundsätzen, die Pflicht zur Vertraulichkeit „im Zweifel eng auszulegen“.

Doch nicht alle Aufsichtsräte halten sich an diese Empfehlung – was oftmals daran liegt, dass eigene Interesse im Vordergrund stehen. Das betrifft Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter gleichermaßen.

Vorsicht, Interessenkonflikte!

Nehmen wir an, der Aufsichtsrat diskutiert über verschiedene Optionen für Einsparungen. Darunter ist eine Fabrikschließung, und ein Vertreter der Kapitalseite zeigt sich aufgeschlossen. Da kann es aus Sicht eines Betriebsrates Sinn machen, diese Information an die Medien durchzustechen – und auf diese Weise Widerstand zu mobilisieren und den Aufsichtsratskollegen unter Druck zu setzen.

Zweites Beispiel: Ein Investor mit Aufsichtsratsmandat hofft auf den Verkauf einer Tochterfirma, weil ihm dann eine Sonderdividende winkt. In solchen Fällen besteht ein Anreiz, vertrauliche Informationen über finanzielle Probleme des Unternehmens zu lancieren und somit Unterstützung für den Verkauf zu mobilisieren.

Was tun? Natürlich hilft es, wenn Aufsichtsratschefs bei der Auswahl neuer Kandidaten auf Unabhängigkeit, Professionalität und persönliche Integrität achten. Aber de facto haben sie oft keinen Einfluss auf Personalentscheidungen – bei Arbeitnehmern sowieso, aber auch bei Vertretern von Großaktionären.

Helfen kann in solchen Fällen Teambuilding. Denn wenn Aufsichtsräte ihre Kollegen kennen und schätzen, dürfte es meist schwerer fallen, ein doppeltes Spiel zu spielen. Zudem steigt die Chance, dass Partikularinteressen zugunsten des Unternehmenswohls in den Hintergrund rücken.

Zu einer Kultur der Vertraulichkeit gehören darüber hinaus digitale Plattformen, die gewährleisten, dass Aufsichtsräte sicher kommunizieren und zusammenarbeiten können – vom internen Chat über den Austausch von Unterlagen bis hin zur gemeinsamen Dokumentenbearbeitung. Denn der verschwiegenste Aufsichtsrat bringt wenig, wenn stattdessen Hacker Informationen abgreifen.


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